Lieber J., ich kenne das Gefühl und das nur zu gut. Die Vergangenheit kann dunkle Schatten werfen, auch wenn sie schön war. Vielleicht auch gerade dann. Ich freue mich, daß ich meine ehemalige Freundin nicht regelmäßig sehen muß. Man braucht den Abstand, man muß sich endlich auch einmal wieder allein als Person wahrnehmen. Das ist sicher nicht leicht. Anfangs habe ich jeden Abend etwas unternommen. Ich habe auch Kontakte zu alten und neuen Freunden ausgebaut. Immerhin hat man ja auch mehr Zeit. Und ich habe gearbeitet, viel mehr als zuvor, einfach die Einsamkeit vor mir hergeschoben. Eines Tages kommt sie aber doch. Das muß man dann aushalten. Und man kann es überstehen. Betrachte Dich von außen. Die "Keiner-liebt-mich-Idee" ist falsch. Man hat immer mehr Freunde und Menschen um sich, als man in solchen Momenten glauben mag. Man ist auch nicht weniger schön oder weniger klug, intelligent oder liebenswert, als man es vor oder in der Beziehung war. Man wirkt noch auf Menschen. Man kann noch alles bewegen, wie "davor". Irgendwann kann man sich auch wieder verlieben, irgendwann hat man keine Angst mehr davor und der Wunsch nach einer neuen Gemeinsamkeit wird größer als die Angst.
Trotzdem: Es wird immer melancholische Momente geben. Genauso, wie wenn man an seine Kindheit denkt, an die toten Großeltern, mißlungene Prüfungen und ähnliches mehr. Das wird nie aufhören, aber es beeinflußt nicht mehr den allgemeinen Zustand.
Ohne Vergangenheit wäre man doch ein reichlich gruseliger Mensch, oder? Und doch liegt alles Glück in der Gegenwart! Und als Flieger und Träumer bist Du auf jeden Fall ein Finder!
K.